Dienstag, 26. Mai 2009

mutprobe

Will man über Mutproben schreiben, kommt man nicht drum herum automatisch auch über Angst zu schreiben. Was ist eine Mutprobe? Muss es etwas spektakuläres sportliches sein, bei dem man sterben kann oder ins Gefängnis kommt, wenn die Aktion daneben geht?
Meine größte „Mutprobe“ war und ist es schwarz zu fahren. Inzwischen – ich bin jetzt etwas routinierter – überkommt mich immer noch eine leichte Unruhe, sobald sich die Bahntüren schließen. Vor etwa einem Jahr noch bekam ich dann fast Schweißausbrüche. Ohne Fahrkarte war ich dort gefangen. Doch auch beim Skifahren, wo ich den Idiotenhügel besiegt hatte und anschließend die nächste Schwierigkeitsstufe in Angriff nahm, pochte mein Herz auf der Piste. Jetzt könnte man behaupten, ich sei ein Angsthase. Das stimmt jedoch nur teilweise, eben in so einer banalen lebensungefährlichen Situation wie dem Schwarzfahren. Vor anderen Dingen dagegen habe ich überhaupt keine Angst. Vor Jahren einmal bekam ich die Gelegenheit aus 50m Höhe von einem Kran zu springen. Ich war sofort Feuer und Flamme. Es wäre gelogen wenn ich behaupten würde, mich hätten auf dem Weg dorthin nicht doch noch Zweifel beschlichen. Aber sobald wir am Regattasee ankamen und ich die ersten schon erfahrenen Bungeejumper vorwärts und rückwärts zum Sprung ansetzen sah, war die Unruhe wie weggeblasen. Meine Füße wurden zusammengebunden und ein dickes Seil wurde an ihnen befestigt. Auf dem Weg nach oben zog das Seil schwer an meinen Füßen. Wir konnten es scheinbar beide kaum erwarten. Meine Kranbegleiter gaben mir den Tipp nicht nach unten zu schauen, aber ich konnte mich nicht zurückhalten. Meine Augen blitzten vor Freude und Aufregung als ich in das wunderschöne türkisblaue Wasser hinuntersah. Der Kran hielt an. Der Sicherheitshaken wurde abgeschnallt. Ich stellte mich an den Rand, schloss meine Augen, breitete meine Arme aus, legte den Kopf in den Nacken und kippte einfach nach vorne. Ich hatte keine Angst. Ich öffnete die Augen und sah das Türkis auf mich zuschießen. Es wäre der schönste Sprung aus unserer Gruppe gewesen, sagten alle. Meine aufrechte Körperhaltung hatte beim Sprung in die Tiefe meine Lust darauf deutlich gemacht. Am meisten Bewunderung bekam meine Schwester. Ihr Sprung bestand, vom Absprung bis sie wieder festen Boden unter den Füßen hatte, aus einem einzigen Schrei. Sie hatte große Angst gehabt und hatte sich trotzdem darauf eingelassen. Für sie war es eine Mutprobe gewesen, die sie auch bestanden hatte. Bahntickets kauft sie sich dagegen so gut wie nie.