Montag, 1. Juni 2009

am fenster

Ich rauche nicht. Nicht mehr.
Als Teenager, also eigentlich dann wenn die meisten mit dem Rauchen anfangen, fand ich das total bescheuert. Nicht das Rauchen, das fand ich ebenfalls ganz cool, vor allem wenn es sich um selbstgedrehte handelte. Das Problem war jedoch, damit anzufangen. Anfänger sahen immer so bekloppt aus. Ich wollte auch gerne cool sein und rauchen - nur Anfänger wollte ich nicht sein. Und da sich das Eine mit dem anderen nicht vereinbaren ließ, blieb ich eben Nichtraucher.
Dann, als meine Teenagerzeit gerade vorbei war, zog ich nach Berlin, in den ersten Stock in die Oderbergerstraße an der Ecke zur Kastanienallee. Ich hatte nur ein kleines Zimmer, dafür aber ein großes Fensterbrett. Und es gibt nichts besseres als mit angewinkelten Beinen und Zigarette auf dem Fensterbrett zu sitzen und die Geschehnisse unten auf der Straße zu beobachten. Also tat ich genau das. Als die typischen Selbstdarsteller aus dem Prenzlauer Berg dort an der Ecke Sofas auf ein Baustellencontainer hievten, nur um dort oben Gitarre zu spielen oder als die Polizei am 30. Mai die Straße sperrten und Wasserwerfer und keine Ahnung was alles noch auffuhren, habe ich rauchend von oben zugekuckt. So gab ich der Versuchung immer wieder nach, es gab einfach so viel zu sehen.
Inzwischen ist das schon ziemlich lange her. Ich bin seitdem wieder 6x umgezogen, aber nie mehr hatte ich so ein schönes Fensterbrett und irgendwann, - die coolen Gelegenheiten gingen mir einfach aus - hörte ich auf, mir Zigaretten zu drehen und gab mein kleines Laster auf. Seit kurzem wohne ich am Boxi. Das Fensterbrett ist zwar, wie seine 5 Vorgänger, ebenfalls ziemlich schmal aber ich habe zur Erweiterung eine Kommode rangeschoben. Der Sommer kommt und der Platz vor meinem Haus füllt sich wieder mit allerhand verrückter Menschen. Ich glaube, dieses Jahr wird es viel zu sehen geben und ich werde bestimmt einige Zeit am Fenster verbringen...

Dienstag, 26. Mai 2009

mutprobe

Will man über Mutproben schreiben, kommt man nicht drum herum automatisch auch über Angst zu schreiben. Was ist eine Mutprobe? Muss es etwas spektakuläres sportliches sein, bei dem man sterben kann oder ins Gefängnis kommt, wenn die Aktion daneben geht?
Meine größte „Mutprobe“ war und ist es schwarz zu fahren. Inzwischen – ich bin jetzt etwas routinierter – überkommt mich immer noch eine leichte Unruhe, sobald sich die Bahntüren schließen. Vor etwa einem Jahr noch bekam ich dann fast Schweißausbrüche. Ohne Fahrkarte war ich dort gefangen. Doch auch beim Skifahren, wo ich den Idiotenhügel besiegt hatte und anschließend die nächste Schwierigkeitsstufe in Angriff nahm, pochte mein Herz auf der Piste. Jetzt könnte man behaupten, ich sei ein Angsthase. Das stimmt jedoch nur teilweise, eben in so einer banalen lebensungefährlichen Situation wie dem Schwarzfahren. Vor anderen Dingen dagegen habe ich überhaupt keine Angst. Vor Jahren einmal bekam ich die Gelegenheit aus 50m Höhe von einem Kran zu springen. Ich war sofort Feuer und Flamme. Es wäre gelogen wenn ich behaupten würde, mich hätten auf dem Weg dorthin nicht doch noch Zweifel beschlichen. Aber sobald wir am Regattasee ankamen und ich die ersten schon erfahrenen Bungeejumper vorwärts und rückwärts zum Sprung ansetzen sah, war die Unruhe wie weggeblasen. Meine Füße wurden zusammengebunden und ein dickes Seil wurde an ihnen befestigt. Auf dem Weg nach oben zog das Seil schwer an meinen Füßen. Wir konnten es scheinbar beide kaum erwarten. Meine Kranbegleiter gaben mir den Tipp nicht nach unten zu schauen, aber ich konnte mich nicht zurückhalten. Meine Augen blitzten vor Freude und Aufregung als ich in das wunderschöne türkisblaue Wasser hinuntersah. Der Kran hielt an. Der Sicherheitshaken wurde abgeschnallt. Ich stellte mich an den Rand, schloss meine Augen, breitete meine Arme aus, legte den Kopf in den Nacken und kippte einfach nach vorne. Ich hatte keine Angst. Ich öffnete die Augen und sah das Türkis auf mich zuschießen. Es wäre der schönste Sprung aus unserer Gruppe gewesen, sagten alle. Meine aufrechte Körperhaltung hatte beim Sprung in die Tiefe meine Lust darauf deutlich gemacht. Am meisten Bewunderung bekam meine Schwester. Ihr Sprung bestand, vom Absprung bis sie wieder festen Boden unter den Füßen hatte, aus einem einzigen Schrei. Sie hatte große Angst gehabt und hatte sich trotzdem darauf eingelassen. Für sie war es eine Mutprobe gewesen, die sie auch bestanden hatte. Bahntickets kauft sie sich dagegen so gut wie nie.

Mittwoch, 15. April 2009

frühling

Frühling heißt Sommersprossen auf der Nase, die sich plötzlich frech ins Blickfeld schieben, so dass man schielen muss, sich nicht mehr in die gefütterte Kapuze einmummeln können, endlich mal wieder zeigen was man drunter trägt, Falterviecher, die einem beim Fahrradfahren ins Gesicht dotzen, stundenlanges Überlegen was man anziehen soll, da es morgens noch kalt, mittags superwarm und abends wieder bibbernd kalt ist, liebevoll die ersten Blumen auf dem Balkon pflanzen, voller Hoffnung sie dieses Jahr auch wirklich genug zu gießen, sich mit Laptop unter eine Linde setzen und sich den Bildschirm vom Baum vollspucken zu lassen, Stöckelschuhe und Flipflops anziehen und am Abend vor lauter Blasen an den Füßen kaum noch Laufen können und nicht zu vergessen den Mund zumachen auf dem Rad, da man sonst eine Mahlzeit Minifliegen zu sich nimmt. Das ist Frühling, ich liebe ihn und ich hoffe er hört nie auf!

Freitag, 20. März 2009

ladrones

Nahm das eigentlich gar kein Ende? Am Samstag auf dem Weg nach Hause aus der Stadt stieg sie an Sol (das Zentrum von Madrid, wo sich sämtliche Touristen und folglich auch das Pendant dazu, nämlich die Diebe, aufhalten) ein und trotz Millionen von Warnungen und Sätze wie "pass bloß auf deine Sachen auf", entging es ihr, dass sie sich zusammen mit fünf bösen hinterhältigen Schweinepriestern) in den Wagon drängte. Sie dachte, sie hätte schon genug erlebt, als ihr vor vier Wochen am ersten Tag in Madrid fast der Rucksack geklaut wurde, aber nein, sie brauchte noch eine zweite Lektion... Ahnungslos wer sie da umzingelte, konnte sie sich trotz ihrer 1,57m mit der linken Hand oben an der Querstange der U-Bahn festhalten. Lustig nicht? Ja, das ist in der spanischen Metro möglich. Im Rucksack war eine dicke Kameratasche mit einer Spiegelreflex drin, in der rechten Hand trug sie die Supermarkteinkäufe: ein eingepackter schon zerpflückter Salatkopf, Käse, Gemüse und in der linken Hosentasche hatte sie 500 Euro für Miete, Kaution und zum Leben im allgemeinen... Eingequetscht und immer noch ahnungslos, sich aber gleichzeitig dessen bewusst, dass sie da viel Geld in Bar mit sich herumtrug, zuppelte etwas an ihrer Hosentasche. Schnell drehte sie sich in Richtung Hosentasche, total erschreckt, aber da war keiner dran. Sie dachte, sie sah schon Gespenster. Da zuppelte es schon wieder an der Hosentasche, ruckzuck drehte sie sich um, die Einkaufstüte flog mit, traf jemanden am Bein, die Salattüte platzte, es knallte, sie wurde angerempelt. Sie drehte sich in die Richtung. Jemand meinte, sie wäre ihm auf den Fuß getreten. Sie fühlte zum dritten Mal Hände in der Nähe des Geldes. Entweder war sie dabei verrückt zu werden oder beklaut zu werden. Jemand sagte auf Spanisch, dass ihr Rucksack sperrangelweit offen stand. „Ja, was soll ich machen???“ brülle sie auf Deutsch. Das wirkte. Der Spieß wurde umgedreht. Keiner traute sich mehr die Kamera heraus zu nehmen. Die Frau war denen nicht mehr ganz geheuer. Sie steckte ihre Hand zu den 500 Euro in die Hosentasche, die Bahn hielt kurz darauf. Sie stieg aus, die Männer auch, sie verschwanden sofort, den nächsten berauben... Ihr zitterten die Beine. Aber das Geld war noch da. Wo waren eigentlich all diese doofen Security Männer hin, die einen immer ganz durchdringend anschauen, wenn man nur seinen Fahrschein in die Entwertermaschine steckte?, dachte sie, sah aber keinen.

Freitag, 13. Februar 2009

alhambra

Da saßen wir oben auf dem Auskuck auf, na klar, die Alhambra und zeichneten ganz idyllisch, na klar, die Alhambra. Da setzte sich ein alter Mann neben uns. Er klopfte Inga auf die Schulter, und fing an auf Spanisch langweiliges Zeug zu fragen. Sie antwortete ihm kurz und drehte ihm wieder den Rücken zu. Er klopfte wieder an. Ein alter Mann, weißhaarig, am Stock humpelnd, auf der Suche nach jungen Mädchen, die ihm eventuell noch den Tag versüßen würden. Er klopfte noch einmal. In seinem alten Mantel kramend, holte er schließlich eine olle Plastiktüte hervor, gefüllt mit Bonbons (der Alte hatte wohl noch einiges vor an dem Tag), die stellenweise schon zusammenklumpten und bot sie uns an. Wir dankten, "no gracias", standen auf und setzten uns ans andere Ende der San Nikolas Auskuckmauer. Wir waren in Sicherheit. Die männliche Hänsel und Gretel Hexe suchte sich derweil neue Opfer. Zwei junge Japanerinnen, mit denen er sich fotografieren ließ und Bonbons schmatzte bis den beiden, die eindeutig zuviel gute japanische Umgangsformen gelernt hatten, ebenfalls die Lust verging. Sie standen auf, verabschiedeten sich und gingen. Der Alte gab nicht auf, seine Bonbontüte schwenkend, holte er sie mit seinen 3 Beinen schnell ein....

Samstag, 10. Januar 2009

autoliebe

Ich hatte den Christian mehr oder weniger gerade kennen gelernt und er erzählte mir von Autorennen, schnellen Flitzern, Monte Carlo, usw. Ich hörte eine ganze Weile eher still zu, bis es ganz plötzlich aus mir heraus brach „Ich würde da auch totaaaal gerne mitfahren!!!" Ich als alter Angsthase dachte im Traum nicht daran am Steuer zu sitzen. Der Christian aber, der hatte sich gerade verliebt…